Hallo, wir als ProChoice Dresden begrüßen euch auch noch mal herzlich zum feministischen Kampftag und freuen uns, dass wir hier heute gemeinsam streiken und dem Patriarchat erneut den Kampf ansagen!
ProChoice entstand in den 1960er Jahren ursprünglich als eine feministische Bürgerrechtsbewegung in den USA, als Feminist*innen die Forderung zur Entscheidungsfreiheit zu einem Schwangerschaftsabbruch in den Fokus rückten. Diese Forderung war nicht neu, sie ist so alt wie die Gesetze, die Abbrüche verbieten. Zum ersten mal wurde hier jedoch nicht nur mit der sozialen Notlage und gesundheitlichen Gefährdung von armen Frauen argumentiert, sondern vor allem mit dem körperlichen Selbstbestimmungsrecht.
Bis heute dauern die Kämpfe für einen sicheren und legalen Zugang zum Schwangerschaftsabbruch weltweit an. In Deutschland beispielsweise ist zwar im letzten Jahr der § 219a gefallen, der über ein sogenanntes Werbeverbot die bloße medizinische Aufklärung über Abbrüche enorm erschwerte. Aber das eigentliche Übel, § 218, der Abtreibung als illegal definiert und ihre Durchführung nur unter bestimmten Bedingungen nicht strafrechtlich verfolgt, steht noch immer zwischen Schwangeren und ihrer freien Entscheidung. Dabei bietet die gegenwärtige Regierungskoalition vermutlich eine nicht so schnell wiederkehrende Chance, dieses Gesetz nach nunmehr 152 Jahren seiner Existenz endlich loszuwerden. Die Ampelkoalition hat sich vorgenommen, “Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs” zu prüfen. So steht es im Koalitionsvertrag. Die FDP hat hingegen inzwischen bekanntgegeben, der Streichung nur zuzustimmen, wenn sie dafür die Legalisierung der Eizellspende und Leihmutterschaft bekommt, wobei es der Partei der Spitzenverdienenden offenbar vor allem um die finanziellen Interessen von Reproduktionsmediziner:innen geht – reine Klientelpolitik also. Insgesamt scheint es keine der drei Parteien der Ampelkoalition eilig zu haben ihr Wahlproramm in Bezug auf § 218 umzusetzen – vorige Woche wurde nun endlich bekannt gegeben, wer in der gegründeten Kommission sitzen wird, die eine mögliche Entkriminalisierung durchspielen soll.
Bei den Gesetzen rund um den Schwangerschaftsabbruch haben wir es nicht mit einem isolierten Phänomen zu tun. Und bei diesen Gesetzen endet es auch nicht. Denn im Patriarchat ist der Körper von gebärfähigen Personen Werkzeug ökonomischer und machtpolitischer Interessen. Über das Eingreifen in die Reproduktion wurden und werden bevölkerungspolitische Maßnahmen ergriffen. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die vielen Programme, die im globalen Süden Verhütungsmittel bereitstellen, unter anderem mit der Absicht, das Bevölkerungswachstum zu beschränken, und neuerdings mit der Begründung, dadurch neben der Armutsbekämpfung auch dem Klimawandel entgegenzuwirken. Wir müssen natürlich nicht darüber sprechen, dass der Zugang zu Verhütungsmitteln zu einer gesundheitlichen Grundversorgung gehört, nur spielen eben Motivationen einer solchen Kampagne auch bei der Legitimität dieser eine Rolle. Denn dass es bei diesen Programmen primär nicht um Selbstbestimmung geht, zeigt sich schon allein daran, dass zumeist keine freie Wahl an Verhütungsmitteln gegeben ist und durch finanzielle Prämien die prekäre soziale Lage der Frauen ausgenutzt wird.
Bereits in den 1970er Jahren äußerten autonome Frauenbewegungen immer wieder Kritik an dem Eingreifen in reproduktive Rechte und bevölkerungspolitische Maßnahmen. 1994, bei der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung in Kairo, in Ägypten, werden reproduktive Rechte zum ersten Mal als Menschenrechte festgehalten und so von vielen Staaten anerkannt. Das Konzept betont die freie Entscheidung von Paaren und Individuen, darüber bestimmen zu können, ob und wie viele Kinder sie bekommen wollen, und dabei keinen Zwängen, keinem Druck und auch keiner Form von Diskriminierung zu unterliegen. Diese Forderungen sind in Anbetracht der Tatsache, dass die Kinderfrage jahrzehntelang rassistischen, ableistischen und klassistischen Zwängen unterlag und immer noch unterliegt, längst überfällig gewesen.
Denn zur gleichen Zeit, in der weiße, able-bodied Frauen sich für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einsetzten und dies mit dem Recht auf Selbstbestimmung begründeten, kämpften People of Colour, Sinti*zze und Rom*nja, be_hinderte Frauen und queere Personen dafür, überhaupt schwanger werden zu können, denn sie wurden daran immer wieder durch Zwangsmaßnahmen gehindert. So hatten hierzulande DDR-Vertragsarbeiter*innen aus bspw. Vietnam oder Mosambique im Falle einer Schwangerschaft nur die Wahl zwischen einem Schwangerschaftsabbruch oder der Rückführung ins Herkunftsland. In der Tschechoslowakei und ihren Nachfolgestaaten wurden Romn*ja über Jahrzehnte ohne ihre Einwilligung sterilisiert, damit sie keine weiteren Kinder bekommen konnten. Und noch bis 2011 mussten sich in Deutschland Trans-Personen sterilisieren lassen, um den Geschlechtseintrag ändern zu können.
Auch wenn die Beschlüsse aus Kairo als Errungenschaft internationaler feministischer Bewegungen gesehen werden können, wurden sie seit den 1990 Jahren insbesondere von Schwarzen Feminist*innen in ihrer Umsetzbarkeit kritisiert. Für sie stellte sich die Frage, wer überhaupt Zugang zu diesen Rechten hat in einer Welt in der soziale Ungleichheit herrscht. Deshalb forderten sie reproduktive Gerechtigkeit und verfolgten damit das Ziel, reproduktive Gesundheit in soziale Gerechtigkeit einzubetten.
Die ProChoice-Bewegung war, das sehen wir heute, nur der Anfang des Kampfes um körperliche Selbstbestimmung. So führen beispielsweise koloniale Kontinuitäten dazu, dass auch in feministischen Debatten nicht alle Perspektiven gleichermaßen Aufmerksamkeit bekommen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns als Bewegung immer wieder selbst reflektieren und uns solidarisieren mit den feministischen Kämpfen weltweit. Dass wir uns gegenseitig zuhören, wenn auf Missstände aufmerksam gemacht wird, die uns vielleicht nicht unmittelbar betreffen mögen, so doch unmittelbar angehen, und laut werden, um gegen sie zu demonstrieren. Denn nur mit gebündelten Kräften haben wir eine Chance im internationalen Kampf gegen das Patriarchat.