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Disclaimer: Die Rede befasst sich mit dem Thema Vergewaltigung!

“Frauen sind immer schon als das andere Geschlecht definiert worden, ihre Identität wird durch die Männer festgelegt.” ~ Simone de Beauvoir

Nicht zuletzt wird dieses patriarchale Phänomen in dem Fall von Gisèle Pelicot deutlich. Ihr Mann, Dominique Pelicot, betäubte sie heimlich über circa zehn Jahre hinweg und bot fremden Männern ihren Körper für deren sexuelle Befriedigung an. Gisèle Pelicot wurde etwa 200-mal von ihrem Mann und 80 weiteren Männern vergewaltigt. Diese stammten aus allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen. Die systematisch wiederholten Vergewaltigungen kamen zufällig ans Licht, als die Polizei bei einer Hausdurchsuchung, die wegen anderer Vergehen stattfand, heimlich erstellte Videoaufnahmen fand. Vor Gericht äußerte Dominique Pelicot, dass er durch die Vergewaltigungen “eine unbeugsame Frau unterwerfen” wollte. Gisèle Pelicots Wille wurde also nicht nur verdrängt, für die Täter lag der Reiz in der bewussten Betäubung und Dominierung dessen. Frauen werden gefügig und stumm gemacht, indem sie narkotisiert werden. Sie können so nicht widersprechen, sind leicht zu dominieren und charakterlos; kurz gesagt: eine reine Projektionsfläche für männlich-patriarchale Fantasien. Die Objektivierung des Anderen dient der eigenen Subjektwerdung. Dieses Bild der willenlosen Frau als Objekt der Begierde zieht sich seit Jahrtausenden insbesondere durch Kunst und Kultur. Ein Beispiel hierfür ist die Entführung von Helena von Troja in der griechischen Mythologie. Die Darstellung von ihr als handlungsunfähige Frau, dessen Identität allein Schönheit ist, macht sie zu einem Spielball männlicher Interessen. Selbst bei toten Frauen findet diese Ästhetisierung statt. Besonders gut erkenntlich ist das bei dem Kindermärchen Schneewittchen. Solche kulturindustriellen Erzeugnisse ziehen sich durch die gesamte Gesellschaft und beeinflussen unsere Gedanken und Auffassungen unterbewusst. Wie jedoch schlagen diese ansozialisierten Gedanken und Auffassungen in patriarchale Gewalt um? Und warum äußert sich jene besonders in sexualisierter Gewalt?
Wie dargestellt hat also das Subjekt Mann das gesellschaftlich produzierte Bedürfnis, alles weiblich-geltende als unterwürfig zu konstruieren und sich unabhängig und höherwertig gegenüber allen nicht männlich-sozialisierten Individuen zu erweisen. In der Sexualität wird dieser Unabhängigkeit des cis-hetero Manns die Frau gegenübergestellt, weshalb es hier zu einer Abhängigkeit von der Frau und seiner eigenen Sexualität kommt. Jene löst eine Ambivalenz in Männern aus: Gefühle wie Liebe, Begehren, Nähe-Bedürfnis fließen zusammen mit Angst und Aggression. Männer fühlen sich von der weiblichen Abhängigkeit bedroht. Der Soziologe und Sozialpsychologe Rolf Pohl fasst das wie folgt zusammen: “Männer hassen Frauen für das Begehren, was sie in ihnen auslösen.” Jene Ambivalenz findet ganz unterbewusst statt und äußert sich in dem Wunsch, sie stillzustellen. Es soll nicht nur die Sexualität im patriarchalen Sinn verwirklicht, sondern Weiblichkeit mit der eigenen kontrolliert werden. Der treibende Faktor für sexualisierte Gewalt ist jene Ambivalenz aus “Unabhängigkeit des Mannes” und der Abhängigkeit von allen nicht-männlichen Individuen innerhalb der Sexualität, woraus Aggressionen ausgelöst werden. Deshalb reden wir bei patriarchaler Gewalt von einer Form von Kontrolle, Bestrafung und Abschreckung, die dazu dient, Menschen auf ihren Platz in der geschlechtlichen Hierarchie und Arbeitsteilung zu verweisen und gleichzeitig das männliche Subjekt aufzuwerten. Queers und Frauen werden in die Reproduktionsphäre gedrängt und gelten für das männliche Subjekt als sorgende Nicht-Subjekte, also im Abstrakten als Objekte. Männer setzen ihren Willen gegen Frauen und Queers primär dann durch, wenn es um die Beherrschung ihres Körpers geht, was vor allem die Sexualität betrifft. Und genau deshalb können wir es nicht treffender formulieren wie Gisèle Pelicot selbst: “Die Scham muss die Seite wechseln!”
Zeigt euch solidarisch mit Betroffenen sexualisierter Gewalt und bietet Unterstützung an! Und an die Männer: Hört auf euch auf eurer vermeintlichen Solidarität auszuruhen und fangt an, euch aktiv gegen patriarchale Verhältnisse und Männerbündelei aufzulehnen!
Für eine universelle feministische Solidarität mit allen Betroffenen patriarchaler Gewalt!
Für das Leben, gegen den Tod!

Disclaimer: The speech is about rape!

“Women have always been defined as the opposite sex, their identity is determined by men.” ~ Simone de Beauvoir

Not at last, this patriarchal phenomenon becomes clear in the case of Gisèle Pelicot. Her husband, Dominique Pelicot, secretly drugged her for ten years and offered her body to strangers for their sexual gratification. Gisèle Pelicot was raped around 200 times by her husband and 80 other men. They were from all social classes and age groups. The systematically repeated rapes came to light by chance when the police found secretly made video recordings during a house search for other offenses. In court, Dominique Pelicot stated that he wanted to “subjugate an unyielding woman” through the rapes. Gisèle Pelicot’s will was not only repressed, for the perpetrators the attraction lay in deliberately numbing and dominating her. They are made compliant and mute by anaesthetising them. They cannot contradict, are easy to dominate and are characterless; in short: a pure projection surface for male patriarchal fantasies. The objectification of the other serves the purpose of becoming one’s own subject. This image of the will-less woman as an object of desire has run through art and culture for thousands of years. One example of this is the abduction of Helen of Troy in Greek mythology. Depicting her as a woman incapable of acting, whose identity is solely beauty, makes her a plaything of male interests. This aestheticization even takes place with dead women. This is particularly evident in the children’s fairy tale Snow White. Such cultural-industrial products permeate the whole of society and subconsciously influence our thoughts and perceptions. But how do these socialized thoughts and perceptions turn into patriarchal violence? And why does it manifest itself in sexualized violence in particular?
As described, the male subject has the socially produced need to construct everything that is considered feminine as submissive and to prove himself independent and superior to all non-male socialized individuals. In sexuality, this independence of the cis-hetero man is contrasted with the woman, which is why there is a dependence on the woman and his own sexuality. This triggers ambivalence in men: Feelings such as love, desire, need for closeness coalesce with fear and aggression. Men feel threatened by female dependency. Sociologist and social psychologist Rolf Pohl summarizes this as follows: “Men hate women for the desire they trigger in them.” This ambivalence takes place subconsciously and manifests itself in the desire to silence it. Not only is sexuality to be realized in the patriarchal sense, but femininity is to be controlled with one’s own. The driving factor for sexualized violence is the ambivalence of “male independence” and dependence on all non-male individuals within sexuality, which triggers aggression. This is why we speak of patriarchal violence as a form of control, punishment and deterrence that serves to relegate people to their place in the gender hierarchy and division of labor while simultaneously valorizing the male subject. Queers and women are pushed into the reproductive sphere and are seen by the male subject as caring non-subjects, i.e. as objects in the abstract. Men assert their will against women and queers primarily when it comes to dominating their bodies, which primarily concerns sexuality. And that is precisely why we cannot put it more fittingly than Gisèle Pelicot herself: “Shame must change sides!”
Show solidarity with those affected by sexualized violence and offer support! And to the men: Stop resting on your supposed solidarity and start actively rebelling against patriarchal conditions and male bonding!
For universal feminist solidarity with all those affected by patriarchal violence!
For life, against death!